Der Geopark Gole della Breggia

Das wohl Einzigartige an diesem ersten Geopark der Schweiz ist wohl der Umstand, dass auf einer Strecke von etwa 1,5 Kilometern 150 Millionen Jahre Erdgeschichte sichtbar werden. Die tiefen Schluchten (italienisch gole) der Breggia zeigen in eindrücklicher Weise, wie sich die Erde bewegte und faltete, wie sich das Klima entwickelte, welche Tiere und Pflanzen auf ihr lebten.

Ein Zeitraffer der Erdgeschichte
Vor etwa 4,7 Milliarden Jahren herrschen auf unserem Planeten Temperaturen von 2’000 Graden. Der Erdkern bildet sich und durch sintflutartige Regenfälle entstehen Urozeane. Erste Lebewesen, in Form von Bakterien,produzieren Sauerstoff und reichern das Meer damit an. Die Kontinentalplatten beginnen sich zu formen. Die ältesten Gesteine sind über 3 Milliarden Jahre alt. Im Zeitraum von 2 Milliarden Jahren entsteht eine Atmosphäre, wie sie mit der heutigen zu vergleichen wäre. Die erste große Krise lässt die Erde vor 600 Millionen Jahren komplett gefrieren. Sie wird zum riesigen Schneeball. Interessanterweise wächst aus dieser Eiszeit erstmals sichtbares Leben heraus. Muschelartige Tiere bevölkern das Meer, das Klima wird tropisch, die Kontinente treiben aufeinander zu, die Tiere wenden sich dem Leben auf dem Lande zu – bis vor etwa 250 Millionen Jahren ein Massensterben dieser Entwicklung ein vorläufiges Ende setzt.

Von Jura bis Kreide
Hier beginnt, vor 200 Millionen Jahren,der geologische Lehrpfad: Von der Mulin da Canaa bis zur Mulindel Ghitello ist, entlang der Breggia, das einzigartige und ununterbrochene Profil einer Gesteinsserie zu sehen, das sich auf dem Grund des sogenannten Thetysmeeres gebildet hat. Die mächtigen Felsformationen der Breggia Schluchten entstanden in der Zeit, als die Kontinente Eurasien und Afrika mehr und mehr auseinanderstrebten und der Meeresboden tiefe Risse erhielt oder sich bis auf die Tiefe von 2.500 Metern absenkte.

Der Lehrpfad ist sehr gut ausgeschildert und dokumentiert. Mit Schautafeln werden die Gesteinsarten, die Pflan-zen- und die Tierwelt erklärt. Deshalb eignet sich der Geopark bestens für einen Familienausflug. Wer genau hinschaut, entdeckt bestimmt Versteinerungen, lebten doch hier unzählige Arten von Schalentieren (Ammoniten). Aber Achtung: Es ist strikt verboten, Versteinerungen zu sammeln. Auch das Verlassen der bezeichneten Wege ist sehr gefährlich und deshalb nicht erlaubt.

Auf reichen Spuren
Tief hat sich die Breggia ihre Schluchten in das weiche Gestein gegraben – und dem Menschen ist es immer gelungen, sie zu überqueren. Der historische Lehrpfad nimmt uns mit zu beeindruckenden Zeugnissen der Baukunst. Die ersten Hinweise auf eine 35 Meter hohe Holzbrücke stammen aus dem 15. Jahrhundert. Einer der vielen Verbindungswege wurde zum 700sten Jubiläum der Eidgenossenschaft res-tauriert. Auf dem Hügel von San Pietro wurden Gräber und Münzen aus römischen Siedlungen entdeckt und dieReste der Außenmauer des „Castel Ruscono“ lassen den großen Reichtum der lombardischen Familien aus dem frühen Mittelalter erahnen. Die „Chiesa Rossa“ (rote Kirche) leitet einer Legende gemäß ihren Namen von einer Bluttat in der Weihnachtsnacht von 1390 ab.

Die Wasserkraft der Breggia wurde vor allem durch Mühlen genutzt. Das älteste Wasserrechtsver-zeichnis dokumentiert 11 Mühlen auf 2 Kilometern Flusslänge. Die erste betritt man beim Eingang in den Park: Die „Mulino di Ghitello“. Sie stammt aus dem 17.Jahrhundert und umfasste ein Gutshaus, eine Mühle für Getreide und Kastanien sowie eine Presse für Nüsse und Ölsamen. Der auf eindrückliche Weise restaurierte Gebäudekomplex umfasst heute die Parkverwaltung, das Infozentrum und ein Restaurant.

Auch der geschichtliche Lehrpfad ist gut ausgeschildert und dokumentiert. Im Infozentrum liegen zudem mehrsprachige Faltblätter auf, welche auch die anderen Spuren handwerklicher Tätigkeiten entlang des Fluss-laufes der Breggia beschreiben. Die Exkursionen durch den Geopark lassen sich gut alleine, zu zweit, als Familie, mit einer Gruppe oder auch einer Schulklasse durchführen. Man kann eine Stunde lang oder auch einen ganzen Tag unterwegs sein, das Wanderwegnetz erlaubt kleinere oder größere Schlaufen. Für Gruppen liegt zudem im Informationszentrum reichhaltiges didaktisches Material vor. Die Leitung des Geoparks bietet geführte Wanderungen verschiedener Längen an, dazu ist allerdings eine Voranmeldung nötig.

Percorso del Cemento
Sehr lehrreich ist der “Percorso del cemento”, ein Lehrpfad rund um den Zement. Er ist in zweijähriger Arbeit entstanden und zwar auf dem Gelände der ehemaligen Zementfabrik Saceba (später Holcim), mitten im Herzen des Geoparkes. Durch den Umbau der Industriegebäude ist eine faszinierende historische Anlage ineiner beeindruckenden Landschaft entstanden. Dem Besucher entfaltet sich ei-ne spannende Geschichte um die Werktätigkeit der Gegend und der Entstehung des Zementes, von seinem Rohmaterial bis hin zum Endprodukt. Der Lehrpfad nimmt uns mit zu mächtigen und authentischen Industrieeinrichtungen, in das Labyrinth der Bohrstollen bis hin zuden Hochöfen. Der Rundgang wird von einem sachkundigen Führer begleitet, Anmeldung unter www.parcobreggia.ch

Parco Valle della Motta
Ganz in der Nähe des Parco delle Gole della Breggia liegt ein weiterer Naturschutzpark: ein äußerst charmantes Plätzchen, fast ein wenig versteckt zwischen Vorstadt, Autobahn und Einkaufszentren. Ein kleines Flüsschen, die Roncaglia, schlängelt sich durch den Park, liebevoll angelegte Wege führendurch das etwa 3 Kilometer lange Naturschutzgebiet – das übrigens entstand, weil bei der Planung einer Abfalldeponie der Reichtum und die Vielfalt anFlora und Fauna in diesem Gebiet entdeckt wurde.

Zu finden ist der Park ganz einfach:
Zwischen Genestrerio und Novazzano überquert die Straße das kleine Flüsschen und genau dort liegt der perfekte Einstieg zu einem Spaziergang. Es braucht weder hochgebirgstaugliche Schuhe dazu noch Seil und Haken; viel wichtiger ist die Bereitschaft, etwas von der Ausstrahlung, von der Ruhe, von der Schönheit der Natur in ihren ganz verschiedenen Erscheinungsformen aufzunehmen und auf sich wirken zu lassen. Wer es gerne etwas wissenschaftlicher möchte: Weil im Valle della Motta Waldgebiete, fließendes Wasser, Teiche, Sumpfgebiete, Hecken und Wiesen vertreten sind, findet sich eine ebenso große Vielfalt von Pflanzen und Tieren. Auf einer 234 Hektaren großen Fläche wurden über 1’000 Tierarten gezählt, davon 75 aus der „roten“ Liste, das betrifft jene Tierarten, die in der Schweiz besonders gefährdet sind. 45 gibt es nirgendwo anders im Kanton Tessin und 7 Pilzarten wurden bisher weltweit nur hier gefunden. Eine Oase der Biodiversität.

Ein besonderes Augenmerk verdienen die Spazierwege. Sie stellen eine Höchstleistung, man möchte sagen, künstlerischer Gestaltung dar. Die Wege nehmen die unterschiedlichen natürlichen Formen, den Untergrund auf und machen den Wanderer zum Besucher; er durchschreitet den Park nicht, er kann sich auf seine Umgebung einlassen, und dies zu jeder Jahreszeit. Besonders eindrücklich ist diese Ingenieurskunst in der Umgebung der „Mulino del Da-niello“zu sehen.Um die Böschung abzusichern, wurden Steine und Holz, dienatürlich vorhandenen Rohstoffe, verwendet und auf eine Art verbaut, die den natürlichen Uferbewuchs unterstützt.

Nicht fehlen durften natürlich die Fischtreppen. Die Geschichte des „Parco della Valle della Motta“ ist noch jung. Die Gruppe Ehrenamtlicher, welche für die Pflege verantwortlich zeichnet, hat noch viele Ideen, die sie mit grossem Enthusiasmus vorantreiben. Vor allem aber ist ihre grosse Liebe zu ihre Idee spürbar: Der Mensch soll die Schönheit seiner Umgebung betrachten, sie nutzen und pflegen.

Anreise:
Der Geopark ist von vier Ortschaften aus zugänglich, sämtliche Zugänge sind gut markiert: Morbio Superiore, Morbio Inferiore, Castel San Pietro und Balerna. Das Informationszentrum befindet sich in Balerna, hinter dem Einkaufszentrum „Breggia“ (A2 Richtung Milano, Ausfahrt Chiasso Nord, Centri Commerciali – Busse von Chiasso oder Mendrisio „Centri Commerciali“).

Angebote:
12 Kilometer Wanderwege, sehr gut unterhalten und leicht zu begehen. Gute Schuhe erforderlich.

Geologischer Lehrpfad
Historischer Lehrpfad

Geführte Besuche (in Gruppen, auf Voranmeldung, +41 (0)91 690 10 29, info@parcobreggia.ch)
Didaktisches Material (z.B. fürSchulklassen oder andere Gruppen)Publikationen, teilweise in mehreren Sprachen.
Informationszentrum mit Restaurant und Shop

Parco delle Gole della Breggia
CH-6834 Morbio Inferiore
Tel. +41 (0)91 690 10 29
Fax +41 (0)91 690 10 38
info@parcobreggia.ch
www.parcobreggia.ch


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